Hast du Rituale oder beginnt dein Tag wie immer?Du stehst auf, gehst ins Bad, trinkst deinen Tee und startest das Auto, um zur Arbeit zu fahren. Du machst das, ohne darüber nachzudenken. Der Ablauf ist klar, es braucht keine neuen Entscheidungen. Manchmal sogar greifst du zur Zahnbürste, um dich zu vergewissern, ob du die Zähne schon geputzt haben. Was so automatisch abläuft, ist eine Gewohnheit, aber noch lange kein Ritual.
Ein einfaches Ritual
Ein Ritual entsteht erst, wenn du etwas bewusst tun und den Augenblick zelebrieren. Das kann auch der Tee am Morgen sein. Wenn du eine besondere Tasse verwendest und dir wirklich Zeit nimmst, das Getränk zu genießen. Wenn du den Tee schmeckst und riechst. Und die warme Tasse in deinen Händen fühlst.
Was ein Ritual ausmacht
Du merkst, Rituale sind etwas Besonderes. Sie verleihen dem Augenblick Glanz und Bedeutung, die Vorfreude darauf zaubert ein Lächeln auf das Gesicht. Rituale leuchten wie Sterne über dem Grau des Alltäglichen und bringen in den immer gleichen Fluss der Zeit Struktur und Rhythmus. Sie tun einfach gut. Und da Rituale viel mit Achtsamkeit und Bewusstheit zu tun haben, haben sie eine heilende, ausgleichende Wirkung in dieser so schnelllebigen Zeit.
Zeiten für Rituale
Ein Ritual ist etwas sehr Persönliches, Individuelles. Was sich dafür eignet, liegt in den eigenen Vorlieben. Der Tageslauf bietet dazu verschiedene Ansatzpunkte.
Morgens
- Das liebevolle Wecken der Kinder (noch sind die kleinen Monster herrlich verschlafen)
- Der Griff nach der Hand des Partners im Bett nebenan (Guten Morgen, mein Schatz)
- Ein warmes Bad (herrlich, die Bettwärme noch ein bisschen zu behalten)
- Der Lauf in der frischen Morgenluft (noch ist alles so schön ruhig)
- Das Schreiben der Morgenseite (bin mal gespannt, was heute wieder ‚geschrieben werden will‘)
- Der ruhig wandernde Blick vom Balkon (Siehst du die Wolkenformationen? Hörst du die Vögel?)
- Der Gang durch den Garten (Was ist wieder gewachsen? Wie riecht das Gras, wie die Rose?)
- Ein paar Kniebeugen vor dem Bett (Spürst du, wie Leben in deinen Körper kommt?)
- Die oben besprochene Tasse Tee (Hm, was ist das für eine neue Marke?)
- Eine besonders gut duftende Körperlotion (Sich so schön verwöhnen!)
Auch der Abschied von Familienmitgliedern kann zum Ritual werden, wenn er nicht leere Geste ist, sondern die Handlung Bedeutung bekommt. Ein solcher Start in den Tag wird ihnen besser tun als einer mit Hetze oder schlechten Nachrichten aus dem Radio. Und das wird Auswirkungen haben auf die kommenden Stunden.
Abends
Chronobiologen machen darauf aufmerksam, dass jeder Mensch im Laufe des Tages in seinem eigenen Rhythmus schwingt. Wenn die Familienmitglieder abends wieder zusammentreffen, kann das zu Reibereien und Unstimmigkeiten führen.
Da eignet sich die Mahlzeit in der Runde besonders, um wieder zusammenzufinden. Schon beim gemeinsamen Zubereiten entspinnen sich zwanglos Gespräche, die am Esstisch fortgesetzt werden. Sich gegenseitig vom Tag berichten, Interesse zeigen, nachfragen, zuhören. Solche Rituale schenken Geborgenheit und das warme Gefühl von Zugehörigkeit und angenommen sein.
Manche Familien ähneln eher einem Flugzeugträger, bei dem jeder nach Belieben landet und startet. Da bleibt keine Zeit für eine gemeinsame Mahlzeit. Aber vielleicht lässt sich doch ein Augenblick etablieren, indem ein bewusstes Zusammenkommen möglich ist.
Jeder, der Kinder hat, weiß, wie sehr diese Rituale lieben. Sei es die Art, wie sie zu Bett gebracht werden, das Vorlesen, das Kuscheln oder sei es das Nachtlämpchen und der Teddy, die ihnen Sicherheit geben. Durch diese Rituale kommen sie zur Ruhe und schlafen leichter ein.
Warum sollte das bei uns Erwachsenen nicht ähnlich sein? Auch wir können den Tagesausklang bewusst gestalten, anstatt von einem Augenblick auf den nächsten den Schalter umzulegen von Aktivität in Ruhe (und wenn es nur der Knopf am Fernsehapparat ist).
Oft sind diese Minuten vor dem Schlafengehen ist einzige Zeit, die man für sich selbst hat. Ideen für den Tagesausklang
- Die Dusche, mit der die Sorgen des Tages wegfließen
- Ein kleiner Tagesrückblick auf das, was gut war und geklappt hat
- Die Erinnerung an positive Momente, an ein Lächeln, eine freundliche Geste
- Die kleine Übung der Dankbarkeit
- Ein bestimmtes Musikstück hören
- Eine Kerze anzünden
- Einen Blick in den Sternenhimmel wagen
Im Lauf eines Jahres
Auch die Feste im Jahreskreislauf können zu verbindenden und heilenden Ritualen werden, wenn man sich nicht von der gefühlsduseligen Überfrachtung durch die Medien und den allseits präsenten Konsumanregungen beeinflussen lässt. Statt diese Feste zu negieren oder nur aus Gewohnheit auf die immer gleiche Weise zu feiern, können wir ihnen auch unsere eigene Bedeutung und unsere ganz persönlichen (Familien-) Rituale geben. Dann bekommen Weihnachten, Geburtstage, Ostern, oder auch der Hochzeitstag ihren besonderen Wert und tragen zur Verbindung mit den Menschen bei, die uns lieb sind.
Im Laufe des Lebens
Für besondere Lebensabschnitte kennen andere Kulturen Rituale, die bei uns unbekannt sind. Der Eintritt in die Pubertät, der Beginn der Menopause, das Ende eines langen Arbeitslebens, aber auch die Trennung von einem geliebten Menschen würdigen wir keiner besonderen Beachtung. Und das, obwohl bekannt ist, dass Zeremonien helfen, den Übergang von einer Phase in eine andere zu verarbeiten. Und damit erst ein wirklicher Neuanfang möglich wird.
Anregung:
Achte in den nächsten Tagen einmal darauf, welche Handlungen positive Gefühle auslösen oder durch welche Kleinigkeiten etwas zum Ritual werden kann.
Die wichtigsten Aspekte:
- Das Ritual soll dir Freude machen
- Du erlebst diese Momente bewusst
- Du zelebrierst diesen Augenblick
Und:
Nicht alles soll und kann zum Ritual werden. Dir werden auch die leckersten Pralinen nicht mehr schmecken, wenn du jeden Tag davon eine Packung essen kannst!
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